Raphael Banaszkiewicz
Rechtsanwalt

Verkehrsunfall ohne Schuld

Wenn Sie an einem Unfall kein Verschulden trifft und von Ihnen Schadenersatzansprüche anzumelden sind, sollten Sie einen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts erfahrenen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragen.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ist in diesem Fall verpflichtet, sämtliche Anwaltsgebühren zu übernehmen. Entgegen eines weit verbreiteten Irrglaubens entstehen Ihnen also durch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes hier keine Kosten. Die Schadenposition Rechtsanwaltsgebühren wird vereinfacht ausgedrückt genauso ersetzt wie ein vom Unfallverursacher zerstörter Kotflügel Ihres Wagens.

Nur durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes können Sie sicher sein, dass Ihnen wirklich für alle entstanden Schäden ausreichender Ersatz geleistet wird.

Folgende Schadenersatzpositionen kommen in Betracht:

I. FAHRZEUGSCHADEN

Sie können den an Ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden (Sachschaden inklusive einer Wertminderung) wie folgt ermitteln:

1. Sachverständigengutachten: Wenn der voraussichtliche Sachschaden weit mehr als 700 EUR beträgt, sollten Sie einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Unfallfahrzeuges beauftragen, zumal die gegnerische Haftpflichtversicherung grundsätzlich für dessen Kosten aufzukommen hat.

Liegt die voraussichtliche Schadenhöhe erkennbar niedriger, besteht die Gefahr, dass die Versicherung im Einklang mit der Rechtsprechung das Honorar des Sachverständigen nicht übernimmt. Die Grenze ist hierbei fließend und von Amtsgericht zu Amtsgericht verschieden.

Liegt jedoch ein Totalschaden vor, kann unabhängig von der Schadenhöhe immer ein Sachverständiger beauftragt werden. Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens müssen Sie sich vom Wiederbeschaffungswert den sogenannten Restwert in Abzug bringen lassen. Beide Werte werden in Sachverständigengutachten gesondert ausgewiesen.

Vorsorglich sollten Sie den Sachverständigen darauf hinweisen, dass im Gutachten auch die Höhe der Wertminderung festgestellt wird. Ohne einen durch Sachverständigengutachten nachgewiesenen Wertminderungsbetrag (Betrag, den Ihr KFZ nach der Reparatur als Unfallfahrzeug weniger wert ist), unterbleibt häufig eine diesbezügliche Versicherungs-zahlung. Schon allein deshalb sollten Sie Ihr Recht auf Begutachtung Ihres Fahrzeuges durch einen freien, also versicherungsunabhängigen Sachverständigen ausüben.

Sachverständige sind übrigens auch leicht im Internet zu finden, z.B. www.bvsk.de .

2. Kostenvoranschlag: Dies ist die einfachste und billigste Möglichkeit gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung einen Bagatellschaden nachzuweisen, welche wegen der ersparten Sachverständigenkosten regelmäßig von den Versicherungen akzeptiert wird. Es sollten jedoch Fotos vom Schaden beigelegt werden.

3. Reparaturrechnung: Bevor Sie Ihr Unfallfahrzeug reparieren lassen, sollten Sie sich bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers vergewissern, ob das Fahrzeug zur Reparatur freigegeben wird. Oftmals schicken die Haftpflichtversicherungen zuvor einen eigenen Sachverständigen zur Feststellung des Sachschadens. Diese weisen allerdings nicht immer die an Ihrem KFZ entstandene Wertminderung aus, so dass diesbezüglich von der Versicherung dann später keine Zahlung erfolgt. Ihr Recht auf Beauftragung eines eigenen Sachverständigen sollten Sie deshalb immer ausüben.

Wenn Sie nach Erstellung eines Sachverständigengutachtens das Fahrzeug reparieren lassen, stellen Sie sicher, dass die Reparaturkosten den im Sachverständigengutachten festgestellten Reparaturaufwand oder den Wiederbeschaffungswert (bei Totalschäden) nicht um mehr als 30 % übersteigen. Nur bis zur sog. Opfergrenze hat die gegnerische Haftpflichtversicherung Schadensersatz zu leisten.

Sofern Sie das Fahrzeug nicht gleich vollständig reparieren lassen wollen, können Sie zunächst auch eine Teilreparatur zur Wiederherstellung der Fahrbereitschaft veranlassen. (notdürftiges Ausbeulen, Ersatz des Blinkers usw.).

Der Umfang der gesamten Reparaturarbeiten darf natürlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Bei kleinen Lackschäden kann nicht der Ersatz einer ganzen Lackierung des Wagens verlangt werden. Im Falle einer erforderlichen Ganzlackierung, des Einbaus von Neuteilen kann die Haftpflichtversicherung einen sog. Abzug „neu für alt“ vornehmen, weil der Wert Ihres Wagens durch die Reparatur gesteigert wurde.

Hinweis: Insbesondere wenn Sie bei der Schadensabwicklung nicht anwaltlich vertreten sind, versuchen Haftpflichtversicherungen häufig die Ersatzleistung von der tatsächlichen Durchführung einer Reparatur abhängig zu machen, was nicht korrekt ist.
Für Ihren Regulierungsanspruch genügt in jedem Fall der Schadensnachweis durch ein Sachverständigengutachten. Bei dieser fiktiven Abrechnung werden jedoch nur die Nettobeträge gezahlt.

II. ERSATZWAGEN:

Liegt ein Totalschaden vor, können Sie sich einen Ersatzwagen beschaffen. Die anfallenden Ab- und Anmeldekosten dürfen Sie erstattet verlangen.
Erstattungsfähig sind auch die Kosten für eine technische Prüfung vor dem Kauf des ausgewählten ErsatzfahrzeugesGrundsätzlich sind auch sonstige Spesen (Taxifahrt zum Gebrauchtwagenhändler) zu ersetzen.

III. STAND- VERSCHROTTUNGSKOSTEN:

Wenn das Unfallfahrzeug nicht mehr repariert wird, muss es alsbald verkauft oder verschrottet werden. Sogenannte Standkosten für das vorübergehende Abstellen des Fahrzeuges und die Kosten einer Verschrottung können Sie ersetzt verlangen.

IV. NEUWAGENERSATZ:

Bei der Beschädigung eines fast neuen Fahrzeuges (nicht älter als 2 Monate mit nicht mehr als 1000 km Laufleistung) müssen Sie sich von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht auf eine Reparatur verweisen lassen. In diesen Fällen haben Sie Anspruch auf Ersatz des Neupreises.

V. MIETWAGEN:

Für die tatsächliche Zeit der Reparatur Ihres beschädigten Wagens oder der üblichen Dauer zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges haben Sie einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten.
Bei der Erstattung der Kosten machen die Haftpflichtversicherungen jedoch in der Regel einen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen geltend. Der lange Zeit übliche pauschale Abzug von 15 % der Mietwagenkosten ist nach überwiegender Rechtsprechung mittlerweile nicht mehr möglich.
Gleichwohl sollten Sie, um jeglichen Abzügen vorzubeugen, einen Mietwagen der nächst niedrigeren Klasse mieten (also z. B. statt eines Golf einen Polo auswählen). Sie gehen damit sicher, bei den Mietwagenkosten nicht aus eigener Tasche draufzahlen zu müssen.
Hierauf ist insbesondere zu achten, wenn Ihr beschädigtes Fahrzeug aufgrund seines Alters nur noch einen geringen Wert aufweist.
Als Geschädigter trifft Sie eine sogenannte Schadensminderungspflicht. Dies bedeutet, dass Sie einen Mietwagen nur so lange wie nötig in Anspruch nehmen dürfen. Sie müssen auf eine baldige Reparatur oder Anschaffung eines Ersatzwagens hinwirken.
Sofern Sie mit dem Mietwagen nur geringe Strecken (weniger als 20 km pro Tag) zurücklegen, kann es im Rahmen der Schadensminderungspflicht geboten sein, auf einen Mietwagen zu verzichten und für die Einzelfahrten öffentliche Verkehrsmittel oder ein Taxi zu benutzen.

Achten Sie auch darauf, dass der Mietwagen nicht übermäßig teuer ist, was oft bei Abschleppunternehmen der Fall ist.

Achtung: Sind Sie bei dem Unfall verletzt und vom Arzt arbeitsunfähig geschrieben worden, sind Sie nach der Rechtsprechung nicht fahrfähig, und die Versicherungen müssen weder Nutzungsausfall noch Mietwagenkosten zahlen. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen.

VI. NUTZUNGSAUSFALL:

Sofern Sie keinen Mietwagen in Anspruch nehmen, haben Sie für die Reparaturzeit bzw. die Zeit der Beschaffung eines Ersatzwagens Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Die einzelnen Tagessätze werden ständig aktualisiert. Eine Nutzungsausfalltabelle ist z.B. bei Automobilclubs erhältlich. Die Tagessätze reichen von ca. 27 EUR (z.B. Fiat 500) bis zu ca. 100 EUR (z.B. BMW 7er, Mercedes S-Klasse) pro Tag.
Nutzungsausfallentschädigung können Sie unproblematisch nur für die im Sachverständigengutachten ausgewiesene übliche Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungszeit verlangen.

VII. ABSCHLEPPKOSTEN:

Musste Ihr Fahrzeug vom Unfallort abgeschleppt werden, haben Sie Anspruch auf Ersatz dieser Kosten. Nimmt der Abschleppunternehmer für die Verwahrung Ihres Wagens Standgeld und ggf. eine Gebühr für die Vorführung zur, haben Sie einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten.

VIII. FINANZIERUNGSKOSTEN:

Verzögert sich die Ersatzleistung der gegnerischen Haftpflichtversicherung in erheblichem Umfang, können Sie gegen entsprechenden Nachweis der Bank auch die Zinsen verlangen, die Sie für die ausgelegten Reparatur- oder Anschaffungskosten gezahlt haben.
Am sichersten ist es, wenn die Versicherung per anwaltlichem Aufforderungsschreiben mit der Regulierung in Verzug gesetzt wurde.

IX. NEBENKOSTEN:

Sammeln Sie sämtliche Belege wie z.B. Taxirechnungen und notieren Sie Porto- und Telefonkosten. Gegen Vorlage dieser Quittungen hat die gegnerische Haftpflichtversicherung Ersatz zu leisten.
Kommen so nur geringe Beträge zusammen, können Sie die Nebenkosten ohne Einzelnachweise mit einer Pauschale (20-25 EUR) ersetzt verlangen.

X. SONSTIGER SACHSCHADEN:

Durch den Unfall beschädigte Kleidung oder beispielsweise im Kofferraum beschädigte Gegenstände (Fotoapparat etc.) sind ebenfalls zu ersetzen.

XI. ANWALTSKOSTEN:

Die Kosten der Beauftragung eines Anwaltes sind von der gegnerischen Haftpflichtversicherung bei unverschuldetem Unfall grundsätzlich als Schadenposition zu übernehmen.

XII. VERLUST VON SCHADENSFREIHEITSRABATT:

Bei unklarer Haftung oder Verzögerung der Ersatzleistung durch die Gegenseite kann es zweckmäßig sein, den Schaden am eigenen Fahrzeug bei seiner eigenen Vollkaskoversicherung geltend zu machen. Die führt jedoch zwangsläufig zu einer Rückstufung im Schadensfreiheitsrabatt. Dieser Nachteil ist von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu erstatten. Lassen Sie sich hierzu eine Bestätigung Ihrer Vollkaskoversicherung über die Höhe des Höherstufungsschadens vorlegen.

XIII. VERDIENSTAUSFALL:

Sofern Sie durch den Unfall Verdiensteinbußen hatten, sind diese im Einzelnen zu belegen und vom Unfallverursacher zu erstatten.

XIV. PERSONENSCHADEN:

Sofern Sie oder ein Fahrzeuginsasse durch den Unfall verletzt wird, sollten Sie in jedem Fall einen Rechtsanwalt beauftragen. Dieser wird folgende Schadenspositionen prüfen und ggf. zur Regulierung anmelden:

Behandlungskosten, Rettungskosten, Fahrtkosten von Familienangehörigen zu Krankenbesuchen, Fahrtkosten zum Arzt oder Massagen, Therapien etc., Kranken- und Hausgeld, Pflegekosten, Lohnfortzahlung, Erwerbsschaden, Umschulungskosten, Entgangener Urlaub, Minderung der Erwerbsfähigkeit, Kosten eines medizinischen Gutachtens, insbesondere Schmerzensgeld

Mitverschulden

Bislang wurde davon ausgegangen, dass der Unfall ausschließlich von einem anderen Verkehrsteilnehmer verschuldet worden ist. Denkbar sind jedoch weitere Varianten.

Haben Sie den Unfall beispielsweise zu 30% mitverschuldet, reguliert die gegnerische Versicherung Ihren Schaden nur zu 70%, und Ihre Anwaltskosten müssten Sie zu 30 % übernehmen. Verfügen Sie allerdings über eine Rechtschutzversicherung, wird Ihr Anteil selbstverständlich von dieser übernommen.

Sollten Sie den Unfall gar vollständig verschuldet haben, haben Sie natürlich keine Schadenersatzansprüche. Vielmehr droht Ihnen bei polizeilicher Unfallaufnahme nahezu immer die Einleitung eines Bußgeld- oder gar Strafverfahrens z.B. wegen Vorfahrtsverletzung, Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung etc. In diesem Fall sollten Sie am Unfallort keine Erklärungen abgeben und solches später schriftlich Ihren Rechtsanwalt machen lassen. Bei Bestehen einer Rechtschutzversicherung im Verkehrsrecht sind die Kosten Ihrer notwendig werdenden Verteidigung durch einen Anwalt regelmäßig abgedeckt.

Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes empfiehlt sich daher bei fast allen Verkehrsunfallereignissen, entweder zur Durchsetzung Ihrer zivilrechtlichen Ansprüche oder zur Verteidigung Ihrer Person gegen buß- oder strafrechtliche Vorwürfe.

Raphael Banaszkiewicz, Rechtsanwalt